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Alt 24.05.2021, 16:13   #7590
Ratte im Labyrinth
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Zitat:
Zitat von ShortSqueeze Beitrag anzeigen
bei Vergleichen mit der Vergangenheit muss man meines Erachtens berücksichtigen, daß es mit der Einführung des QE 2009 quasi eine Umkrempelung der Gleichgewichtsbedingungen an den Finanzmärkten gab.
...
Wenn man diese Politik als nicht reparabel und ebensowenig als reversibel betrachtet, dann muss man auch einsehen, daß Bewertungsziffern in irgendeiner Form, die in der Vergangenheit sinnvoll gewesen sein konnten, mit Vorsicht betrachtet werden sollten.
Das ist unbestreitbar richtig - in diesem fiskalpolitischen Umfeld (Zinsen, QE) sind fundamentale Bewertungsmassstäbe nur mit Vorsicht zu geniessen, wenn nicht sogar gänzlich nutzlos. Das gilt für EV/EBITDA genauso wie für reale Dividendenrendite und die vielen anderen, bei denen wir uns momentan an einem historischen Extrempunkt befinden.

Ich denke aber, das gilt nur genauso lange, wie tatsächlich quasi unbegrenzt Liquidität vorhanden ist. Sobald wir uns aber plötzlich doch in der nächsten Liquiditätskrise wiederfinden, haben diese Kennzahlen plötzlich doch wieder einen Nutzen: sie geben nämlich einen Anhaltspunkt für die mögliche Fallhöhe. Und die ist halt so hoch wie wohl noch nie zuvor.
Zitat:
Ich hab hier vor Jahren bereits die Möglichkeit eines Crackupboom angesprochen und meiner Ansicht nach befinden wir uns genau da drin.
Die Kernfrage ist ja für mich: sind wir jetzt tatsächlich bereits in einem einigermassen stetigen crackup-boom? Oder, wie gross ist das Risiko eines (eher zeitnahen) Rücksetzers (mit Liquiditätskrise) und was ist dann die wahrscheinliche Fallhöhe für Equities?

Dass ein solcher Rücksetzer auch in einem lockeren fiskalpolitischen Umfeld prinzipiell schon möglich ist, haben wir ja erst vor 14 Monaten recht eindrucksvoll gesehen und kennen das Resultat: Aktien fast minus 40%, gleichzeitig Anleihen und Gold kräftig runter, Kryptos sowieso. Aber rasch geheilt, zumindest was die Finanzmärkte betrifft, durch QE und entsprechende Liquiditätsschwemme.

Macht diese jetzt noch lockerere Geldpolitik ein weiteres Ereignis dieser Art unmöglich? Ich bin nicht überzeugt – zu viele groteske Fehlallokationen von Kapital auch als Folge eben dieser Massnahmen: bizarre IPOs, SPACs, aufgeblasene ShitCos, Kryptoboom, am Leben gehaltene Zombiefirmen, nicht zielgenaue Hilfsprogramme. Und das alles mit viel, viel neuem Leverage, was die Märkte noch anfälliger für Schwankungen macht.

Können die Aktienmärkte nicht dennoch, getrieben von Geldschwemme und Inflation, einfach von jetzt an geradeaus weiter (nominal!) nach oben laufen? Doch, klar ist dieses Szenario zweifellos ohne weiteres möglich (und auf der ganz langen Zeitachse sowieso das mit Abstand wahrscheinlichste).
Aber gerade der letzte Aspekt – Höchststand an Leverage, in erster Linie in Form von margin debt für Privatzocker und Hedge Funds á la Archegos, macht einen zwischenzeitlichen Unfall am Markt durch erzwungenes Deleveraging m.E. eben nicht ganz unwahrscheinlich. An einigen der Stellen mit den offensichtlichsten Bewertungsexzessen hat es ja schon sichtbar zu bröckeln begonnen. Allein durch den derzeitigen Wackler an den Krypto-Märkten wurden in den letzten Tagen in den USA offenbar hunderttausende Konten von Privatanlegern liquidiert. Absolut möglich, dass so etwas irgendwann einmal Fahrt aufnimmt (ausserhalb der Krypto-Märkte, die sind nicht gross genug) und zu einer grösseren Welle führt (auch wenn heute mal wieder breite Erholung angesagt ist). Und dann ist die wahrscheinliche Fallhöhe, denke ich, eben ziemlich gross.

Mit einem ganz langfristigen Anlagehorizont spielt das vermutlich alles keine grosse Rolle. Auch ich denke, dass die Notenbanken aus dieser Nummer wohl nicht mehr herauskommen werden, ganz sicher nicht bei der derzeitigen Budgetdisziplin von US und EU. Aber ein wenig Pulver trocken halten scheint mir im Moment dennoch sinnvoll.


Geändert von Ratte im Labyrinth (24.05.2021 um 16:34 Uhr)
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