Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20.09.2020, 08:43   #6547
Ratte im Labyrinth
Benutzer
 
Registriert seit: 06/2017
Ort: München
Beiträge: 715
Standard

Zitat:
Zitat von zournyque Beitrag anzeigen
Aber wie geht man nun mit der Erkenntnis um?
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.
Erkenntnis (oder was man dafür hält) an der Börse tatsächlich in Performance umzusetzen, ist nämlich extrem schwierig.

Es sollte aber, imho, jeder der momentan in Tech investiert (ist) wissen was er tut: er investiert in einer Blase. Und kurz nachdenken, wie er damit umgehen möchte.

Es ist nichts falsch dran, in einer Blase zu investieren. Im Gegenteil, nirgendwo sonst kann man so schnell so viel Geld verdienen. Aber man sollte wissen was man tut: man investiert in einer Blase.

Ich selbst habe das z.B. nicht getan. Das hat mich massiv Performance gekostet. Ich habe den gesamten Tech-Lauf der letzten Monate verpasst. Soll ich es mir schönreden, dass dadurch auch das Risiko in meinem Portfolio viel geringer war? Nein, am Ende hat an der Börse derjenige Recht, der langfristig die beste Performance erzielt, nicht derjenige der die schlausten Analysen angestellt hat.

Aber – Blasen platzen irgendwann. Doch, auch diese. Nein, diesmal ist nicht alles anders. Zumindest sollte man zum puren Selbstschutz nicht davon ausgehen. Wir glauben, die Faktoren zu verstehen, die diese Blase treiben (Liquiditätsschwemme, Mangel an Alternativen, Derivatespiralen, RobinHooders…) und nehmen implizit an, dass die Blase weiterbesteht solange sich da nichts ändert. Das ist falsch. Diese Blase wird platzen und wir wissen nicht wann und wir wissen nicht was dazu führen wird. Aber im Nachhinein wird alles ganz zwingend und logisch aussehen. So wie 2000 und 2008.

In der DotCom-Blase 2000 gab es viele, die am Markt schnell ein Millionenvermögen verdient haben. Und gleich wieder verloren. Weil ihnen nicht bewusst war, dass es tatsächlich eine Blase war. All die vielen Berater und Analysten haben ihnen ja schliesslich jahrelang die New Economy erklärt, und dass sich die Bewertungsmassstäbe dauerhaft verschoben haben. Dann begannen die Kurse zu fallen, man hoffte auf die grosse Erholung und viele blieben bis fast zur Nulllinie drin. Auch heute versprechen sell-side Analysten weiteres Kurspotential und wir hören kluge, plausible Prognosen zu Cloud Computing und Elektromobilität. Auch heute wird das wahrscheinlich nichts mit der langfristigen Kursentwicklung der zugrundeliegenden Werte zu tun haben.

Wenn diese Blase einmal platzt, gibt es viel, viel Luft nach unten. Im Detail gibt es natürlich grosse Unterschiede: Microsoft, Apple, Google, Facebook, Amazon zum Beispiel verdienen reichlich cash und haben dominante Marktpositionen. Auch sie sind viel zu teuer, haben aber dennoch einen beträchtlichen fundamentalen Wert. Bei Square, Tesla, Salesforce, Netflix, Snowflake auf der anderen Seite, besteht die Marktbewertung momentan weitgehend aus Phantasie. Und ich meine auch Phantasie, nicht Zukunftserwartungen, denn welcher Investor hat sich denn wirklich schonmal Zahlen dieser Unternehmen selber angesehen und mit einer möglichen zukünftigen Geschäftsentwicklung in Bezug gesetzt? Einige Profis schon, aber die wissen auch was sie tun und dass sie, wenns ernst wird, immer noch schnell uns Retailinvestoren melken können.

Wann ist es soweit? Niemand kann es wissen, vielleicht läuft es ja noch eine ganze Weile weiter. Blasen leben immer länger als man denkt. Persönlich denke ich aber, dass der Rücksetzer Anfang September aufgrund seiner Dynamik ein Alarmsignal war und wir das Hoch gesehen haben (siehe Post vom 04.09. oben). Viele Fundmanager sitzen für 2020 bisher auf grossen Buchgewinnen. Der Anreiz ist deshalb gross, diese bis zum Berichtsstichtag 31.12. nicht wieder abzugeben. Wenn wir nicht schnell wieder ein Abdrehen nach oben sehen, dürften viele auf den Verkaufsknopf drücken. Ich bin skeptisch dass die RobinHooders das auffangen können.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das aber doch irgendwie anders kommen. Ich wünsche allen ein gutes Händchen.


Geändert von Ratte im Labyrinth (20.09.2020 um 09:13 Uhr)
Ratte im Labyrinth ist offline   Mit Zitat antworten